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Rettet das Glück! Es kann nichts dafür.


In einer Tagung, die 1996 über das Glück unter Soziologen stattfand, kam man überein, dass über die Geschichte des Glücksbegriffs in der Soziologie als von der „Geschichte seiner zunehmenden Irrelevanz“ gesprochen werden könne. Davon, dass das Glück eher als „Anathema denn als Thema“ gelten müsse.

Vielleicht war dies gut. Besser schweigen als ein Begriff ins Populäre ziehen. Vielleicht auch schlecht, weil dann ein leichtes Opfer für den selbstbewussten und gefräßigen Mainstream. Und vielleicht ist sogar das gut… die Heldenreise des Glücks. Wer weiß wozu?

Der Konsens der heutigen Soziologen ist nun vielmehr die Annahme: Um Glück muss man sich kümmern. Allerdings weniger im Sinne der Bewusstwerdung als im Sinne des Konsums. Sie nennen es „die Rotation der Genüsse“, was jedoch immer noch nicht mehr als ein notwendiges Übel ist. In China kennt man einen ähnlichen Spruch. „Die Rotation der Gifte“ und meint damit die Speisen, die man sich in möglichst unterschiedlichen Varianten zuführen soll, damit die Konzentration eines einzelnen Giftes nicht überhand nimmt. Wie absurd diese Form der Lösung in beiden Fällen ist, brauche ich nicht auszuführen. Glück to go haben wir heute. Habenglück. Habhaft in Form äußerer schnell wechselnder Reize. Nicht nachdenken, weitergehen. Und wie klug: Lieber vorsorglich Rotieren als eine Droge steigern müssen. Aber Glück ist nicht steigerungsfähig. Ein bisschen Glück gibt es nicht, katapultiert uns nicht aus der sogenannten „Hedonistischen Tretmühle“ (auch so ein Begriff!, doch sehr treffend!), da die Rotation ja bereits die Tretmühle ist. Immer mehr, niemals genug. Weitergehen. Schnell.


Ein Glück, dass die Positive Psychologie solcherlei ein Ende bereitet. Dass sie uns lernt zu stärken, wo wir schwach werden, geistig, moralisch, ethisch … und sanft wo wir gierig sind. Ja, gut, dass es sie gibt. Oder fatal?


Das Gute im Blick muss nicht zwangsläufig Besseres hervorbringen. Finden jedenfalls der Psychologe Edgar Cabanas und die Soziologin Eva Illouz, welche mit wachem Auge auf die Entwicklung der positiven Psychologe blicken. Sie postulieren in ihrem Buch Soziologie des Glücks 2020, dass sich die Menschen zu „gehorsamen Psychobürgern“ formen würden, gesteuert von einem Neoliberalismus, der seine Werte für militant tugendhaft und allgemeingültig erkläre. Die Gleichsetzung von Glück und Individualismus fördere demzufolge in Wirklichkeit neben Sinnverlust und Einsamkeit den Selbstvorwurf, nie glücklich genug zu sein und halte darüber hinaus davon ab, sich für politischen und sozialen Wandel einzusetzen. Die positive Selbststeuerung gerät zur Pflicht mit Scheuklappen und das Unglück zu etwas Beschämendem. Ui! Wenn das nicht hedonistisch anklingt.

Man kann jedoch auch alles auf die Waagschale legen und wirklich zu viel über das Glück debattieren, an dem Begriff zerren, knüllen, reißen, lieben, verdammen, ihn hin und her wälzen wie ein geistiges Würstchen auf dem Grill. Doch das NERVT! Glück ist nicht dazu gedacht, uns den Kopf qualmen zu machen. Dann lieber schnell glücklich kaufen gehen. Sich am Haben besaufen. Das Glück sollte, ist doch eigentlich etwas sehr Einfaches. Ich freue mich. Ich freue mich so sehr, dass ich gar nicht mehr merke, warum ich mich freue. Voila! Ein neues Kleid. Oh, wie bezaubernd ich darin aussehe, Schatz! Aber: „Kauf dich glücklich“? Ehrlich? Nein… So meine ich das nicht. So funktioniert das nicht. Es schläft ja auch kein Schlechtschläfer schneller ein, weil ich es ihm rate.



Was dann glücklich macht? Das Konsum nicht wirklich glücklich macht, das wissen auch die Verkäufer, welche die Slogans schreiben. Es wissen sogar die, welche dem Schild in den Laden folgen. Aber wenn der Käufer und der Verkäufer sich unerwartet näher kommen, sich in ein nettes Gespräch verwickeln, ein Lächeln zaubern, vielleicht sogar Kluges mit auf den Weg geben… dann vielleicht. Glück ist in erster Linie etwas, das mit Begegnung zu tun hat. Begegnung mit sich selbst, mit anderen. Ein berührt werden. Platz haben. Innehalten. Hier, im Laden, draußen auf der Straße, im Arm des Partners. Glück kann auch sein, an Buchstaben zu sparen und mal nicht zu gendern. Komplett kostenlos. So wie eben. Ach, das Glück. Es ist so ein geschmeidiges und gefälliges Ding, so lange ich es nicht habe. Es glitzert, lockt, füllt Träume. Es kann so viel von dem sein, was außerhalb von mir ist. Aber in dem Moment, da ich mir aneigne, was ich für Glück halte, fällt seine Maske und sein wahrer Wert in Bezug auf mich offenbart sich, nicht immer sogleich, aber irgendwann schon…und dann: Schatz, das Kleid ist eng, es zieht, und die Farbe… und es zeigt sich, ob Glück im Versprechen drin war oder ob nicht. Ach, Schatz, du glitzerst doch in allem. Das Glück ist in dir … Der Käufer mag mit den Zähnen knirschen. Innen glitzern? Klar! Solche Sprüche. Gekauft… ist es vermutlich schon viele Tode gestorben. Ach, das Glück. Ein Luder, das: Heines Loreley.

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